Auch wenn eine Krise wie die aktuelle unser Leben und das soziale Miteinander ziemlich auf den Kopf stellt: Gerade jetzt ist entscheidend, dass wir das berühmte Ruder in der Hand behalten und Wege finden, aktiv mit der Situation umzugehen.


Dafür können und müssen wir uns anpassen und kreativ werden, sagen unsere Expertinnen und Experten - dann allerdings bieten sich vielfältige Möglichkeiten, für sich persönlich das Beste aus den Umständen zu machen. Wie wir unseren Blick weiten und uns positiv stimmen können, lesen Sie in dieser Folge.

Die Fragen beantworten Diplom-Psychologin Anita Smida und Diplom-Psychologe Christoph Bartelworth vom Psychologischen Fachdienst des CJD.

Wie kann ich aktiv bleiben, statt in Passivität zu verfallen?

Zwei Dinge sind unabdingbar dafür - die Motivation, zu handeln und das Wissen, was man tun kann. Unsere Motivationslagen sind sehr unterschiedlich: Optimisten schaffen es leichter, aktiv zu werden, für Pessimisten stellt das eine riesige Herausforderung dar und zwischen diesen Polen verteilt sich der Rest. Es ist wichtig zu verstehen, dass Passivität mir schadet: Ich kann mir so keine Erfolgserlebnisse verschaffen, der Selbstwert sinkt, ich bekomme das Gefühl, keine Kontrolle mehr über mein Leben zu haben, ich nehme mich als ohnmächtig oder im schlimmsten Fall als ausgeschlossen wahr. Besteht dieser Zustand zu lange, kann er zu depressiven Reaktionen führen. Als sehr lebendig erleben wir uns dagegen, wenn Spannung und Entspannung einander abwechseln. Werden wir quasi ausgebremst wie jetzt, müssen wir für die Spannung selber sorgen.

An welchen Punkten können wir dafür am besten ansetzen? Geübt in Situationen wie diesen sind wir ja nicht unbedingt.

Unsere Sozialisation an sich ist nicht unbedingt aktivitätsfördernd. Wir werden in der Schule und in der Familie häufiger dafür belohnt, dass wir still halten und uns zurücknehmen. Oft fehlt es dann am Zugang zu den eigenen Interessen und Bedürfnissen. Hier habe ich eine klare Empfehlung an die Leserin und den Leser: Werde zum Selbsterforscher! Sprich mit anderen über ihre Interessen, surfe im Internet und lass dich von Dingen anziehen, mit denen du dich noch nie beschäftigt hast. Dabei ist es nicht nötig, gleich etwas zu finden, wobei du bleiben kannst und das dich zufrieden stellt. Du darfst wild ausprobieren, kannst zwischen Themen herumspringen und sie auch wieder fallen lassen. Eine strukturierter Tagesablauf und eine positive Grundstimmung fördern die Aktivität ebenfalls. Beginne den Tag mit einem Lächeln und denke daran, auch während des Tages zu lächeln - ob du dich danach fühlst oder nicht. Unsere Psyche lässt sich dadurch täuschen, das ist erwiesen. Und nicht zu vergessen: Motivation entsteht auch, wenn wir ein Ziel haben. Das Ziel muss jetzt sein, am Ende der Krise gesund zu sein, physisch wie psychisch.

Der positiven Grundstimmung entgegen steht bei vielen gerade ein sich anbahnender "Lagerkoller". Wie lässt er sich bestmöglich vermeiden?

Ich ziehe wieder einmal mein Zauberwort "Struktur" aus der Tasche. Der Lagerkoller stellt sich ja erst ein, wenn wir die angenehmen Seiten des Shutdowns satt haben: Ausschlafen, rumgammeln, in den Tag hinein leben - irgendwann fühlt sich das nicht mehr ganz so gut an wie zu Beginn. Jetzt ist es Zeit für klare Wach- und Schlafzeiten, geregelte Mahlzeiten, fest eingeplante Bewegung und Kontakte, gemeinsame Zeit und Auszeiten. Dabei kann man sich jeden Tag ein Highlight setzen – zum Beispiel neue Rezepte ausprobieren, kreative Ideen umsetzen, im erlaubten Rahmen spazieren gehen oder das Gehirn spielerisch trainieren. Was genau in den Tagesplan eingebaut wird, orientiert sich an der individuellen Situation und an den Bedürfnissen, die wir haben. Um eine positive Grundhaltung zu entwickeln, sollte man sich auch fragen: Warum ist meine Situation gerade so, wie sie ist? Was daran macht Sinn, zu welcher mittel- und langfristigen Verbesserung trägt sie bei? Sich zu vergegenwärtigen, wie wichtig die aktuellen Einschränkungen im Kampf gegen die Pandemie sind, hilft uns, sie zu akzeptieren. Diese positive Haltung erleichtert es uns, die Umstände in einem besseren Licht zu sehen und wir werden eher die Energie aufbringen, sie zu bewältigen.

Vielen fehlt momentan das "Licht am Ende des Tunnels", also zu wissen, wann und in welcher Form eine Rückkehr zur Normalität stattfindet. Wie schaffen wir es trotzdem, Optimismus zu entwickeln und zu bewahren?

Ja, die Pandemie erscheint vielen von uns wie ein riesiger Berg, der kaum überwindbar ist. Es gibt ja keine eindeutigen Prognosen, wann tatsächlich wieder so etwas wie Normalität eintritt und wie diese dann aussehen wird. Es hilft, sich klar zu machen, dass jede Reise mit dem ersten Schritt beginnt: Zunächst der heutige Tag, die momentanen Einschränkungen, das ist machbar. Danach beginnt die nächste Etappe. Und jede davon ist darauf ausgerichtet, dass sich die Dinge letztlich wieder entspannen. Wenn wir wie die Kaninchen vor der Schlange sitzen, hat Optimismus keine Chance. Wir müssen unseren Blick aufmachen und auch wieder die schönen Seiten des Lebens zulassen. Es geht nicht um Schönreden: Freude ist real und für jeden auch jetzt erfahrbar. Dass gerade ganz viele Menschen international in rasendem Tempo an Lösungen arbeiten und der Mensch dabei wichtiger ist als der Profit, sind Dinge, die mich persönlich optimistisch stimmen.

Angst, Sorgen, Stress - bis zu einem gewissen Ausmaß sind diese Reaktionen in der aktuellen Situation vollkommen normal. Kritisch wird es, wenn wir uns darauf fixieren: Dann sollte man gegensteuern. In der nächsten Folge unseres Blogs erfahren Sie mehr dazu, wie Sie sich ganz bewusst auf positive Gefühle und Erlebnisse einstimmen.