Jill

Der beste Tipp, den ich anderen Menschen geben kann und der zu jeder Herausforderung passt: Gib nicht auf – egal, wie lange es dauert.

Überwindung der Sozialen Phobie - eine Erfolgsstory

Wenn mich jemand fragt, was mein größtes Erfolgserlebnis im Leben sein soll, dann könnte ich ihm nicht nur eines, sondern sehr viele nennen, die alle unter ein Thema fallen: sozialer Umgang mit anderen.

In der Grundschule war ich nicht wirklich gesprächig und für meine Mitschüler war es etwas schwer, mich zu verstehen. Gegen Mitte der Realschulzeit hatte ich zwar bereits Freunde gefunden; allerdings hatten sich diese später mit einer Ex-Grundschulfreundin zusammengeschlossen und mich mit dem Rest der Mädchen meiner Klasse strategisch ausgeschlossen. Nach dieser Art von Mobbing war es für mich schwer, überhaupt noch anderen, geschweige denn mir selbst zu vertrauen. Mir gelang es allerdings im Laufe der weiterführenden Schule, einem beruflichen Gymnasium, durch das Schulfach Psychologie andere Menschen besser zu verstehen. Was mir auch dabei half, war etwas mehr Kontakt zu meinen neuen und alten Freunden inner- und außerhalb der Schule.

Während meines Bundesfreiwilligendienstes fürchtete ich mich trotzdem immer noch vor Kundenkontakt – und wie es die Ironie so wollte, war ich ausgerechnet in der Verwaltung des Informationsbüros tätig. Das hieß: fast pausenloses Reden mit Dutzenden Kollegen aus jeder Altersklasse, Anrufen von Personengruppen, die oft die Anzahl von 15 Leuten überschritten, und noch dazu persönlich mit Kunden der Volkshochschule reden. Ein Horror für eine 18-jährige Jill, aber die 19-jährige kam nach einem Jahr derartiger Erfahrung nun bestens mit Leuten aller Art klar. Womit ich mich noch schwertat, waren spontane Treffen mit Fremden. Ich war sehr schüchtern und nicht gerade der Leutemagnet.

Nicht nur, weil ich mir eine Herausforderung stellen wollte, sondern auch weil mich Journalismus brennend interessierte, begann ich Ende 2019 ein Praktikum als Zeitungsredakteurin. Mehrere Interviews später wurde der Bammel vor dem Umgang mit Fremden etwas geringer und meine extrovertierte Seite wuchs. Ich hatte auf einmal das Bedürfnis, mich mit vielen Leuten zu umgeben und wollte vieles über sie wissen. Durch dieses Praktikum bei der Zeitung und vielen anderen im Marketing und als Mediengestalterin hatte ich immer mehr mit verschiedenen Menschen zu tun und überwand langsam meine Soziale Phobie.

Als die Pandemie ausbrach, war die Möglichkeit sozialer Kontakte und Situationen jedoch schlagartig begrenzt. Ich hatte erst den Eindruck, dass ich komplett wieder der alte Mensch aus der Realschule war: Ein eingeschüchterter Teenager, der nicht herauskonnte. Nur hinderte mich jetzt nicht mehr meine Angst, sondern ein Virus. Erst nach der Zeit in einer psychiatrischen Klinik fand ich wieder zu mir und war weiterhin durch die Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme des CJD mit Menschen zusammen. Erleichtert stellte ich fest: Es hatte sich trotz sozialer Pause nicht viel geändert. Ich bin immer noch die Person, der es Spaß macht, mit anderen zu kommunizieren, und das sogar viel besser als früher – vor allem aber: endlich ohne Angst!

Wenn mich dieses Wachstum eines gelehrt hat, dann, dass Empathie, Verständnis und das Üben von Sachen, die einem Angst machen, das A und O sind, wenn es darum geht, Soziale Phobie zu überwinden. Es ist wichtig, dass man sich in Kommunikation schult, denn sie erreicht uns überall, egal, ob im Beruf, zu Hause oder auch ohne Worte im Vorbeigehen an Fremden. Sie ist wichtig für Beziehungen aller Art.

Was mir besonders dabei geholfen hat meine Angst zu überwinden, ist der Wechsel von negativen zu realistischen, optimistischen Gedanken. Wenn man davon ausgeht, dass jeder einem etwas Böses antun will, sobald man etwas falsch macht oder mit ihm redet, dann kommt man nicht weit. Ich weiß, das ist leicht gesagt, aber schwer getan, besonders, wenn man schlechte Erfahrungen gemacht hat. Es ist darum wichtig, sich zuerst selbst zu vertrauen und zu wissen, dass man sein Bestes gibt. Und das ist genug. Die Worte "Ich kann das" und "Ich schaffe das" haben mich ebenfalls vorangetrieben, genauso wie starke Unterstützung von Freunden und Familie. Noch dazu ist das Lernen von assertiver Kommunikation wichtig. Das Wissen, wie ich auf freundliche und empathische Art Nein sagen und mich selbst durchsetzen kann, war für mich ein Goldfund.

Der beste Tipp, den ich anderen Menschen geben kann und der zu jeder Herausforderung passt: Gib nicht auf – egal, wie lange es dauert. Gehe dabei geduldig und freundlich mit anderen und dir selbst um, denn Dinge brauchen ihre Zeit.